Systembezogener Fehleransatz

Mit dem systembezogenen Fehleransatz kann das einzelne „Versagen“ relativiert werden, indem auch darauf geschaut wird, ob und inwieweit das System etwa durch seine Rahmenbedingungen oder seiner Organisation den Fehler begünstigt hat.

Denn zunehmend wird anerkannt, dass in Krankenhäusern die Ursachen und Umständefür Fehler mit und ohne Schadensfolge überwiegend multifaktoriell, alsonicht nur im „menschlichen Versagen“ des Einzelnen begründet ist (Marx,1997). Letztere sind somit eher Erben als Urheber der Fehlersequenz (Reason,1995).

 

Mit diesem systemischen Fehlerverständnis steht das individuelle Versagen nicht mehr ausschließlich im Mittelpunkt der Fehleranalyse. Hierdurch wird einerBlame-Culture von vornherein kein Vorschub geleistet. Treten Fehler auf, soll demgemäß

vorrangig danach gefragt werden, wie und warum diese Sicherheitsvorkehrungen nicht funktionierten. Denn bei der systemischen Fehlersicht nehmen systemimmanenteSicherheitsvorkehrungen (system defense) einen besonderen Stellenwert bei der Fehlervermeidung ein. Während die Fehlerhaftigkeit des Menschen weiterhin existiert, können jedoch die Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten, nachhaltig verändert werden. Folgerichtig spricht sich Leape (1994) in der Zeitschrift JAMA in seinem Artikel „Error in Medicine“ für ein systemorientiertes Denken zur Förderung der Patientensicherheit aus.

 

Der systembezogenen Fehlersicht ist gegenüber der personenbezogenen Sichtweise der Vorrang einzuräumen. 

Neben der oben bereits erwähnten Beförderung einer „blame culture“ liegt eine wesentliche Schwäche der personenbezogenen Fehlersicht in der Außerachtlassung, dass ein Großteil von Qualitätsmängeln in der Patientenversorgung nicht in der Person, sondern ihre Ursache im System haben. Ferner ist zur Sicherstellung und zur

Steigerung der Patientensicherheit das alleinige Konzentrieren auf das Ausmerzen menschlicher Fehler am Arbeitsplatz etwa durch Training oder Sanktionieren nicht ausreichend. Denn menschliche Fehler können nie zu 100% ausgemerzt werden.

Vielmehr bedarf es zusätzlich effiziente systemtechnische Ansätze zur Fehlervermeidung.

 

Nützlich ist in diesem Zusammenhang die von Reason (1995) vorgenommene Unterteilung von aktiven und latenten Fehlern.